Backgroundstory

Aus Stupidedia, der sinnfreien Enzyklopädie!
Wechseln zu: Navigation, Suche

Backgroundstory ist ein total trendy Anglizismus. Außerdem übrigens auch ein zusammengesülztes Castingshowphänomenen. Darum geht es auch in diesem Artikel. Also jetzt nicht um den Anglizismus.

Gebrauch und Ablauf

Die kleine Sandy-Michelle - sie hat gemerkt, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Die Show ist jetzt ihre einzige Perspektive...da lässt sich auch mal das Geburtsdatum fälschen

Am Anfang war die Castingshow. Und Tobias Regner. Aber der ist erst mal unwichtig. Viel wichtiger war es den Produzenten der Castingshows (nicht den von Tobias Regner), möglichst viele Leute für das Gemache zu interessieren, dass mehrere Monate und Taschentuchpaletten braucht und dessen Gewinner am Ende nach 3 Wochen die Bühne putzen muss, auf der er sich kurz vorher noch "seinen Lebenstraum" erfüllt hatte.

Doch irgendwann merkte man auch, dass es eben nicht reichte, wenn sich jemand vor die Jury stellte und sagte "Ich bin der Daniel Müller aus Berlin und meine Hobbys sind Reiten und Schwimmen." Nein, die Castingshow musste sich mit einem anderen höchst niederqualitativen Genre vermischen, um richtig erfolgreich zu werden: Die Telenovela. Und so kreierte man die Backgroundstory, einen Einspielfilm, der meistens länger dauert als der ganze Auftritt und in das Privatleben des Kandidaten einführen soll. Natürlich wird dort aber nicht über die Beförderungschancen oder Eheprobleme geredet, nein, hochemotional und dramatisch muss es wirken. So wird, untermalt von herzzereißenden Klavierballaden geschildert, wie der betreffende Kandidat im Alter von 6 Jahren seinen Goldfisch verlor, was er immer noch nicht verkraftet hat oder dass er noch vor wenigen Monaten wegen einer Prellung im Ringfinger seine Karriere als Sänger fast an den Nagel hängen musste und dieser Auftritt seine wirklich allerallerallerletzte Chance sei, im Leben noch etwas zu erreichen.

Im Weiteren werden die Kandidaten auch nicht nach Leistung, sondern nach Dramaturgie der Backgroundstory beurteilt. Man kann so also an 96% der Töne vollkommen vorbeisemmeln, am Ende wird trotzdem befunden, man habe "die Emotion, die du für deinen an Schweinegrippe erkrankten Neffen deines Ohrenarztes in den Song gelegt hast, im ganzen Saal gespürt" und dem Kandidaten sei es gelungen "durch seine Verzweiflung eine ganz neue Interpretationsrichtung geschaffen zu haben." Auch im weiteren Verlauf der Show wird nur auf dem einen Aspekt herumgeritten und dargestellt, dass der Kandidat 24 Stunden am Tag an nichts anderes denkt als an seine noch zu bezahlende Stromrechnung oder den überraschenden Tod der Nachbarkatze. Sämtliche Handlungen des Kandidaten werden nur in diese eine Richtung gedeutet und wer einen solchen Kandidaten ausbuht, ist ein taktloses Arschloch, das auf den Scheiterhaufen geworfen werden sollte. Soll er doch selbst mal fühlen, wie es ist, sich keine Nintendo Wii leisten zu können, tzesses...

Zielgruppe und weiterer Nutzen

Och jaaaaaa, der Michael Hirte, der hat das voll verdient und so. Echt voll traurig dem seine Vergangenheit. Und der spielt auch total super Trompete oder was das ist...

Die Zielgruppe von Backgroundstorys lässt sich in einem Satz pauschalisieren: Alle naiven Vollpfosten, die tatsächlich drauf reinfallen. Verkörpert werden sie meistens von 9-jährigen Mädchen, die ihr gesamtes Taschengeld für DSDS-Magazine und Telefonvotings ausgeben und glauben, deren Ergebnisse seien nicht gefaket sowie ihre meist arbeitslosen Mütter mit Zirkuszelt als Oberteil und schlecht gefärbten Haaren. Diese beiden Phänomenen halten während des Konsumierens der jeweiligen Show von Anfang an die Taschentücher bereit und warten nur darauf, dass irgendein Kind mit traurigem Gesichtsausdruck erscheint, um einen vorher tagelang trainierten, melancholischen Seufzer auszustoßen und voller Insbrunst ein mitfühlendes Gesicht aufzusetzen, ohne überhaupt zu wissen, worum es geht.

Spätestens wenn ein ausgewachsener 1,95-Hüne in den Mittvierzigern dann in die Kamera schluchzt "Als Kind...hatte ich...Windpocken. Da...da dachte ich schon, meine Karriere...dass alles vorbei ist.", gibt es im geblümten Wohzimmer dann kein Halten mehr, Tränen fluten das Ledersofa, bis sich sämtliche Familienmitglieder auf die Taille der Mutter retten müssen, um nicht unterzugehen. Im weiteren Verlauf hat die Zielgruppe ungezügeltes Mitleid mit allen Kandidaten, bei deren Backgroundstory "Hurt" von Christina Aguilera gespielt wurde (also ca. 85%), stößt ein wohlwollendes "ooooh" aus, wenn der Kandidat mit seiner fröhlichen Familie völlig sorgenbefreit am Essenstisch sitzt und ruft schließlich auch für alle an, die laut Backgroundstory schon mehr als ihre Unschuld verloren haben.

Auch lässt sich bereits aus dem Beginn der Backgroundstory auf die Leistung des jeweiligen Kandidaten schließen. Während Teilnehmer, die später mit Standing Ovations bedacht werden, stets sanftmütig und nachdenklich über einen Feldweg schlendern, bevor ihr schweres Schicksal erläutert wird, werden die talentfreien Obernieten meistens mit dem Ententanz oder einem Modern Talking-Song begrüßt und sofort als total geisteskrank hingestellt. Ob der entsprechende Versager gerade vor 2 Wochen seine gesamte Familie unverschuldet bei einem Autounfall verloren hat, ist dabei völlig egal, diese Menschen sind für die jeweiligen Sender ohnehin nur dazu da, um ihre Zielgruppe, Menschen mit Unterschichtenhumor, zu unterhalten.

Nicht zuletzt dient die Backgroundstory auch zur Ergebnisfindung für das abschließende Telefon-oder Juryvoting. Gerade Sendern wie RTL oder Pro7, die in ihren Programmen mit Hits wie Schwiegertochter gesucht oder We are family ganze soziale Bombenteppiche entschärfen, muss es in der Öffentlichkeit aus imagetechnischen Gründen natürlich auch am Herzen liegen, dass der Kandidat mit dem schockierendsten Schicksal die Show gewinnen muss und das Geld einstreichen darf, dass ihm für die nächsten 3 Jahren erst mal eine billige Zahnersatzversicherung garantiert. Auf Leistung muss der Sender ohnehin keine Rücksicht nehmen, da der Gewinner nach 2 Wochen sowieso in der Stern-Rubrik "Was macht eigentlich...?" auftaucht und so gewinnen wahlweise Menschen mit übermäßig vielen Sommersprossen an den Gliedmaßen ("Ich fühle mich dadurch wie ein Nichts"), eingewanderte Reinigungskräfte aus dem Ostblock ("Isch mussen verkaufen meine Plasma-TV für neue Putzbesen") oder weinerliche Memmen, deren 97-jähriger Urgroßvater vor 2 Jahren völlig überraschend an Krebs starb ("Ich werde wohl nie darüber hinwegkommen").

Zitate

  • "Diese Show ist meine einzige Chance, meine letzte Chance...wenn ich nicht weiterkomme, würde alles zusammenbrechen." - Typ, für den sich eine Woche später keine Sau mehr interessiert
  • "Ja, ich mein du hast ja suuupermeeeejahammaageil gesungen, ne, aber stimmt das, dass in deiner Familie noch niemand gestorben ist? Das find ich natürlich echt Scheiße,ne." - Dieter Bohlen
  • "Aber schon als Kind hatte René eine große Beeinträchtigung, die seine Karriere um ein Haar zerstört hätte: Er kommt aus der DDR." - Backgroundstoryerzähler
  • "Ich bin sooooo *schnief* stolz auf ihn." - Bruder der Steuerberatin eines Arbeitskollegen des Kandidaten
  • "Hast du während deiner Performance an deinen erkrankten Goldhamster gedacht? Hast du, oder? Jaaaaaaa, ganz sicher hast du das! Oder? Oder?" - Marco Schreyl

Linktipps: Faditiva und 3DPresso