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Diverses:Meine Insel

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Meine Insel

Ich befand mich auf der Fähre von Schweden nach Finnland

Es war ein sonniger Tag kurz vor Mittsommer. Ich befand mich an Deck einer Autofähre von Schweden nach Finnland. Die letzten beiden Nächte hatte ich im Auto geschlafen. Selbst um diese Jahreszeit können die Nächte in Skandinavien noch empfindlich kühl sein. Dies und die Tatsache, dass hier im hohen Norden die Sonne im Hochsommer nie untergeht, und selbst ein Tragen der Sonnenbrille nicht die beim Schlaf sehnlichst erhoffte Dunkelheit bringt, bewirkten, dass ich schläfrig im Liegestuhl auf dem Promenadendeck lag und die letzten beiden Tage Revue passieren ließ.

Es war etwa 48 Stunden her, dass ich zu hause losfuhr um mich für meinen Arbeitgeber nach Finnland zu begeben. Ich hatte mir die Reise so schön ausgemalt: Kurz mal durch halb Deutschland fahren, durch Dänemark hindurch über die Brücke am großen Belt nach Schweden, schnell einen Abstecher nach Norwegen zu einer Freundin in Oslo machen, nach ausgiebiger Wiedersehensfeier weiter nach Stockholm fahren und mit der Fähre nach Finnland übersetzen. Das war eigentlich der Plan. Aber als ich nach 20 Stunden Fahrt mit dem Auto in Oslo ankam war meine Freundin nicht zu Hause. Somit verbrachte ich die erste Nacht im Auto. In Stockholm angekommen musste ich erfahren, dass die Fähre ausgebucht war. Die zweite Nacht im Auto verbrachte ich also in Schweden mit einem herrlichen Ausblick auf einen See und der am Horizont nicht untergehenden Sonne.

So war es wenig verwunderlich, dass ich endlich an Bord der Fähre nach einer heißen Dusche und einer warmen Mahlzeit so allmählich in einen Halbschlaf hinüberglitt, während die Inseln im Meer an mir vorüber zogen. Und ich begann mir vorzustellen wie schön es doch wäre, wenn ich Herr eines solchen Eilands wäre.

Da waren tausende von Inseln. Manche waren kaum größer als ein Stein, auf dem sich ein Frosch niederlassen könnte, der darauf wartete, dass eine Fliege so unvorsichtig wäre sich in Reichweite seiner Zunge zu begeben. Andere Inseln waren so riesig, dass man eine mittelgroße Stadt darauf hätte errichten können. Manche bestanden aus blankem Fels, andere waren von dichtem Nadelwald bedeckt. Doch alle hatten eines gemeinsam: Sie waren unbewohnt und sahen aus, als hätte niemals ein Mensch seinen Fuß auf sie gesetzt.

Und es begann sich ein Bild meiner Insel in meinem Kopf zu formen.


Das baltische Meer
Meine Insel ist nicht groß. Es ist gerade genug Platz darauf, um mir eine kleine Hütte zu errichten, aus Holz,rot und weiß angestrichen, so wie die Häuser, die man aus Schweden oder Norwegen kennt, mit einer Veranda davor. Neben der Hütte befindet sich ein kleiner Schuppen für allerlei Gerätschaften. Über einen kurzen Pfad gelangt man zum Bootssteg.

Hinter der Hütte, auf der Nordseite der Insel, befindet sich ein kleiner Tannenwald, der mir Brennholz für den Winter liefert und mich vor dem eisigen Nordwind schützt.

Auf einer der kleinen Nachbarinseln pflanze ich Obst und Gemüse an. Ich könnte diese im seichten Wasser bequem zu Fuß erreichen, doch ich bevorzuge es mit dem Boot hinüber zu rudern, denn ich muss schließlich auch Werkzeug mit hin nehmen und natürlich das Obst und Gemüse mit zurück. Auf einer weiteren nahen Insel pflanze ich einen Apfelbaum, auf der dritten einen Kirschbaum. Wenn die beiden Obstbäume einmal groß sind, dann werde ich dazwischen eine Hängematte aufhängen, um mich darauf auszuruhen. Wenn ich einmal etwas anderes als Obst und Gemüse essen will, dann schnapp ich mir meine Angelrute und setzt mich auf den Bootssteg. Es ist einfach herrlich nur in der Sonne zu sitzen und darauf zu warten, dass ein Fisch anbeißt. Sollte ich doch einmal nichts gefangen haben, bestelle ich mir eine Pizza. Diese wird von einem Helikopter geliefert und direkt über der Insel mit einem speziell entwickelten Pizzafallschirm abgeworfen. Man könnte jedoch auch eine Pizzadrohne für die Auslieferung einsetzen. Dann besteht auch nicht die Gefahr, dass der Wind den Fallschirm mit der daran hängenden Pizza ins Meer treibt.

Einmal in der Woche kommt der Postbote zu mir gerudert und bringt mir Briefe von Freunden und Verwandten. Auch die Tageszeitungen der letzten Woche hat er mit dabei. Wir sitzen dann immer noch eine Weile beisammen, unterhalten uns über das Weltgeschehen und philosophieren ein wenig. Post bekomme ich jedoch eher selten. Ich frage mich oft, wieso meine Freunde in den Bergen nie meine Flaschenpost erhalten. In der Regel werden meine Postflachen, für die ich übrigens nur Pfandflaschen benutze, durch die hier vorherrschende Meeresströmung direkt zum Getränkemarkt auf dem Festland getrieben. Die nette Verkäuferin dort verwendet dann das Flaschepfand, um Briefmarken zu kaufen, meine Briefe ausreichend zu frankieren und auf dem Postamt abzugeben. Hin und wieder verirrt sich jedoch auch schon einmal eine Flasche in eine der kleinen, schwer zugänglichen Buchten auf der Rückseite der Insel.

Der Nadelwald auf der Nordseite der Insel hält den eisigen Nordwind ab

Wenn mir einmal der Sinn nach Urlaub steht, packe ich mein Zelt und fahre mit dem Boot auf eine der unbewohnten Nachbarinseln. Ich achte jedoch darauf, dass ich immer in Sichtweite zu meiner Insel bleibe. Man weiß schließlich nie wer sich hier so rumtreibt. Obendrein kann es auch sein, dass einmal unerwartet Besuch kommt. So wie neulich, als unangekündigt das Boot meiner Freundin aus Oslo vor meiner Insel vorfuhr und vor Anker ging. Ihr Name ist Anette, und sie ist eine der wunderbarsten Frauen, die ich kenne. Leider besucht sie mich sehr selten, da sie als erfolgreiche Managerin in der ganzen Welt unterwegs ist. Sie hat schon nahezu alle Länder dieser Welt bereist und spricht fast 20 Sprachen fließend.

Anette ist nicht nur sehr schlau - sie weiß sogar warum Eisbären keine Pinguine fressen (für alle die es nicht wussten: Eisbären leben am Nordpol, Pinguine am Südpol) - sondern auch ziemlich mutig: In Afrika ist sie mit einem Kayak die Viktoriafälle hinab gefahren, im Golf von Mexico ist sie mit einem Walhai um die Wette geschwommen und hat natürlich gewonnen, und gerade neulich hat sie im Himalaja mit einem Yeti getanzt. Manche sagen sogar, sie sei in Schottland auf Nessie gritten. Aber das halte ich für übertrieben. Sie hat Nessie höchstens den Kopf gekrault.

Wenn Anette zu Besuch ist, sitzen wir meistens vorm Kamin, und sie erzählt mir von ihren jüngsten Abenteuern. Dann schließe ich die Augen und versuche mir alles bildlich vorzustellen.

Ich habe nicht viel zu erzählen. Abenteuer erlebt man eher selten auf meiner Insel. Aber ich kann all die Schiffe beschreiben, die an meiner Insel vorbeifahren. Ich liebe es in die neidischen Gesichter der Leute zu blicken, die auch von einer Insel wie der meinen träumen.

Wenn es im Winter richtig kalt ist, dann ziehe ich mir meine Schlittschuhe an und umrunde meine Insel. Manchmal fahre ich auch übers Eis zum Festland. Aber am liebsten sitze ich dann in meinem warmen Wohnzimmer neben dem Weihnachtsbaum und lese ein gutes Buch. Da die Winter hier ziemlich lange sind, kann man auch mal einen richtig dicken Wälzer lesen.


Eine kleine Insel mit einer roten Hütte, einem Schuppen und einem Boot, das vor Anker liegt...

Plötzlich wurde ich aus meinem Traum aufgeweckt. Hatte ich da etwa eine Insel gesehen? Ich rieb mir ungläubig die Augen.

Die Fähre hatte sich inzwischen der finnischen Küste genähert. Immer mehr Inseln, die abgesehen von den beiden kleinen Inseln mit den Obstbäumen und der dazwischen aufgespannten Hängematte meiner Insel zum verwechseln ähnlich sahen, tauchten im Meer auf.

Und da sah ich wahrhaft vor mir die Insel aus meinem Tagtraum. Ein Mann saß auf einem Bootssteg und angelte. Er trug einen Strohhut.

Vom Bootssteg aus ging ein kleiner Pfad hinauf zu einer roten Hütte. Daneben war ein kleiner Schuppen. Durch die geöffnete Tür konnte man darin allerlei Gerätschaften erkennen. Hinter der Hütte befand sich ein kleiner Nadelwald, der im Winter sicherlich vor dem eisigen Nordwind schützte.

Mir war als hätte der Mann mir zugezwinkert. Er muss den Neid in meinem Blick gesehen haben, als die Fähre keine 20 Meter an ihm vorüber fuhr. Ich winkte ihm zu, und er grüßte freundlich zurück.

In diesem Moment wurde mir so einiges klar. Offensichtlich gab es viele Menschen, die den selben Traum hatten wie ich. Im Gegensatz zu mir hatten sie jedoch ihren Traum bereits verwirklicht. Vielleicht träumt auch jeder Mensch von dieser einsamen Insel, auf die er sich zurückziehen kann, wenn ihm danach ist.

Ich begann zu lächeln und fragte mich, wovon ich wohl geträumt hätte, wenn mich mein Arbeitgeber übder die Alpen nach Italien geschickt hätte. Von einer einsamen Hütte in den Bergen direkt neben einem Bergsee? Oder etwa von einer Hütte auf einer einsamen Insel in einem Bergsee? Das wäre jedoch eine ganz andere Geschichte.

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