Kurzkrimi: Unterschied zwischen den Versionen

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Erst zum Schluss wird gelacht: Lord Esterhazy machte zum Zeitpunkt des Todes eine Weltreise. Gärtner Ken kann lt. psychiatrischem Gutachten kein Blut sehen. Das sind die Facts, die einem in den vorletzten Sätzen um die Backen geschlagen werden. Angesichts der geringen Restmenge wird einem verzweifelt klar, dass man offensichtlich den Text nicht verstanden hat, doch das sollte man überhaupt nicht! Panisch nimmt man vor dem Aufruf in der Arztpraxis, im selbst auferlegten Zeitdruck, im dramatischen Sog der Ereignisse, die man plötzlich in sich zugespitzt findet, die vorherigen Zeilen noch einmal unter die Lupe. Passagen treten in Luftblasen leerer Gedanken zutage: "Leiche - Messer - Keller - Mieter - arbeitslos - von Frau verlassen - mit Vermieter durchgebrannt - Lebensversicherung".  
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Erst zum Schluss wird gelacht: Lord Esterhazy machte zum Zeitpunkt des Todes eine Weltreise. Gärtner Ken kann lt. psychiatrischem Gutachten kein Blut sehen. Das sind die Facts, die einem in den vorletzten Sätzen um die Backen geschlagen werden. Angesichts der geringen Restmenge wird einem verzweifelt klar, dass man offensichtlich den Text nicht verstanden hat, doch das sollte man überhaupt nicht! Panisch nimmt man vor dem Aufruf in der Arztpraxis, im selbst auferlegten Zeitdruck, im dramatischen Sog der Ereignisse, die man plötzlich in sich zugespitzt findet, die wenigen vorherigen Zeilen noch einmal unter die Lupe. Passagen treten in Luftblasen leerer Gedanken zutage: "Leiche - Messer - Keller - Mieter - arbeitslos - von Frau verlassen - mit Vermieter durchgebrannt - Lebensversicherung".  
  
 
Der Aufruf erfolgt, nie wird man es klären können. Es sei denn, man dreht den Spieß um und liest, dass es der Vermieter nicht sein konnte, weil der ja kein Linkshänder ist und nur Linkshänder das Messer so führen: VERLOREN!! Doch wo ist der Hinweis zum Linkshändertum? Wo ist das Gutachten und wo liegt das Ticket für die Weltreise herum? Man fischt im Trüben. Schade, die Zeit ist vorbei, aber es war doch spannend!
 
Der Aufruf erfolgt, nie wird man es klären können. Es sei denn, man dreht den Spieß um und liest, dass es der Vermieter nicht sein konnte, weil der ja kein Linkshänder ist und nur Linkshänder das Messer so führen: VERLOREN!! Doch wo ist der Hinweis zum Linkshändertum? Wo ist das Gutachten und wo liegt das Ticket für die Weltreise herum? Man fischt im Trüben. Schade, die Zeit ist vorbei, aber es war doch spannend!

Version vom 8. September 2011, 23:07 Uhr

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Ein schriftstellerisches Genre, das bis dato ein von Kritikern kaum beachtetes Nischendasein führt, ist der Kurzkrimi. Zum Teil mag das an dem Hauptverbreitungsmedium liegen. Kurzkrimis werden nämlich ausschließlich in Zeitungen abgedruckt, die niemand liest, außer beim Arzt. Dort treten sie an die Stelle von ansonsten verwaisten Plätzen, die eigentlich für Werbeanzeigen vorgesehen waren, die aber niemand aufgegeben hat. Aufgrund dieser Platzhalterschaft ist das Budget für die Erstellung eng bemessen und langt anstatt woanders für eloquente sprachwissenschaftlich diplomierte oder durch Bestsellerwerke arrivierte Feuilletonisten nur für eine 400-Euro-Kraft, die nebenbei noch im Mc Donalds an der Theke schaffen muss.

Anfänge

Ähnlich wie der Abenteuerroman durch reale Abenteurer wie Karl May, der in seinen Sechzigern endlich die USA bereiste, einen gewaltigen evolutionären Sprung hin zu Qualität, aber auch zu Massenkompatibilität und damit hohen Auflagen tätigen konnte, war der Boden für den Kurzkrimi seit Shakespeares Zeiten schon immer aufgrund der Faszination am Bösen, durch einen unstillbaren Hunger nach der Beschreibung scheußlicher Morde, geheimnisvoller Tatorte und kriminalistischer Kombinationsgabe mit dem unvermeidlichen Sieg des Guten über den Blöden bereitet, die potentielle Leserschaft aber durch scharf begrenzte Intelligenz, Analphabetentum, fehlender oder zuviel Freizeit durch Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Durch die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert, getragen von den unteren sozialen Schichten, wurde ab der Hälfte des 18. Jahrhunderts immer mehr Freizeit am Fließband produziert und die Kinderarbeit zu gleichen Teilen für die Schule und Fabrik aufgeteilt. So konnte auch das Analphabetentum spürbar reduziert werden. Dies führte aber nicht zu einem Anstieg von Lesern anspruchsvollerer Literatur, sondern vielmehr für eine stetig wachsende Schar von Anhängern des Gassen- oder Gossenromans - ugs. "Romänchen" genannt.

Die Lage verschärfte sich um 1900, als Sir Arthur Conan Doyle seine Romanfigur Sherlock Holmes hatte sterben lassen, um selbst mehr Zeit für das Lesen von Krimis zu bekommen. Auf dem Markt herrschten deshalb geradezu paradiesische Bedingungen für den Anbieter von Schundliteratur, von Kleinst- und Kurzgeschichten, die wie minderwertige Importkohle schaufelweise in den gierigen Schlund der Masse geworfen, verheizt und verhökert wurden. Diese Win-Win-Situation, durch garantiert tiefe Preise gekennzeichnet, beruhigte sich zwar, hinterließ allerdings auch so etwas wie verbrannte Erde für seriöser arbeitende Schriftsteller. Diese wagen sich nur mit Pseudonymen an die Verarbeitung komplexer Stoffe in dieser Manier. Es ist so ähnlich wie bei den Werbespots, die man nicht gedreht oder wie bei den Zeitungen, die man nicht gelesen haben will.

Anforderungen

Das typische Utensil eines Freizeitkriminologen ist der Kugelschreiber und das perfekte Alibi: einem Kreuzworträtsel in der Nähe!

Wiederholungen im Text sind wegen des nur in wenigen Zentimetern bemessenen Platzes schon fast aufgrund der Natur der Sache ausgeschlossen, obschon sie dem Klientel entgegenkämen. Dies wird aber scheinbar durch das Zeichnen einfacher Bilder ausgeglichen. Zusätzlich wird auf sämtlichen Schnickschnack wie einen roten Faden, atmosphärische Dichte und klassische Dramaturgie mit einem gut vorbereiteten Spannungsbogen zugunsten des kostbaren Gutes Raum bei der Zeitung und der zu Verfügung stehenden Aufmerksamkeitsspanne beim Leser verzichtet. Es geht nur noch darum, dass jemand umgebracht wurde. Es findet also eine Fokussierung niederer Instinkte auf das Wesentliche statt. Auch in Puncto Konsum bestehen viele Ähnlichkeiten zum Pornogucken: schaut einer über die Schulter, so wird man im ersten Fall auf das benachbarte Kreuzworträtsel verweisen; im bei letztgenanntem wäre man froh um dieses: verklickt? Man gibt die Anhängerschaft nicht gern unverblümt zu: Hardcore eben!

Dadurch manövriert sich der Kurzkrimi aber nicht in die Klasse der Leichtgewichte kriminalistischer Literatur, da er den Leser anders als bei esoterischer Lektüre nicht vor die Zigeunerin, sondern selbst vor die Kristallkugel setzt. Er selbst ist der zwielichtige Bekannte, aus dem sich vielleicht noch ein Tipp herausquetschen läßt, der auktoriale Erzähler und der Mitautor. Dank dieses verzweifelten Outsourcings, die Spannung vom Leser selbst fabrizieren zu lassen, könnte für diese Zielgruppe also keine andere Unterhaltung letztlich kontraproduktiver sein, die sich selbst mit dem Nimbus des leichten Konsums ausgestattet hat - mit weitreichenden Konsequenzen für den Leser:

Ja, der Mord

  • fand zwar im Hause des Graf Esterhazy statt,
  • sicher zur Zeit, als Graf Esterhazy nach eigener Aussage im Rauchzimmer
    • allein einen Scotch zu sich nahm
    • genug Zeit zum Verwischen von Spuren hatte
  • und wurde sogar an einem Opfer verübt
    • an dessen Tod Graf Esterhazy Interesse hatte,
    • mit einem Revolver aus dem Besitz Graf Esterhazys

aber dann weiß man eben nur, dass Graf Esterhazy garantiert nicht der Mörder war!!!

Das durch Autoren wie Agatha Christie beliebte "Fallenstellen" oder Necken des Lesers durch das Streuen von Spuren, die aber in einer Waschküche gärenden Verdachts, vielleicht auch moralischer Schuld, für den rechtlich Unschuldigen polizeilich ins Leere laufen, wird im Kurzkrimi nicht weiter ausgekostet, sondern pervers zu einem banalen Negativbeweis filetiert.

Ja, der Mord

  • fand in Dartmoore statt
  • in den kalten Leichenfingern fanden sich Abwehrverletzungen
  • ja, der Gärtner Ken vermisst sein Messer
    • ist ein komischer Vogel (mit 41 noch keine Freundin!!)
    • wohnt in der Nähe Dartmoores
    • säuft gern

aber dann weiß man eben nur, dass Gärtner Ken garantiert nicht der Mörder war!!!

Die Motorik des Ratens generiert sich also aus einer starken, scheinbar so offensichtlichen Quelle von Indizien, lässt aber wie ein Sudoku nur den in Differenzen Denkfähigen erfolgreich sein. Der Anfänger wird verzweifelt verdursten, bis er den Text mit der Lösung herumdreht oder eben gelernt hat, zwischen den Zeilen zu lesen.

Mitwirkende

Allen Krimis zueigen ist die zwielichtige Atmosphäre, die mittels kaputter, geheimnisvoller Typen, aber auf teurem englischem Rasen, die mittels verrufener Frauen, aber mit Kaffee aus Meissener Porzellan und Gucchi-Tasche errichtet wird. Mit diesen typischen Kontrasten, die einander gegensätzliche Extreme beim Aufeinanderprallen immer bilden und an denen sich im dunklen Kneipendunst, in noch dunkleren Ecken schmuddeliger Gassen und sowieso in den dunkelsten Abgründen menschlicher Seelen das Licht so schön bricht.

Folgende Paarungen werden somit immer wieder heraufbeschworen, im Glauben, damit schon eine Art Gruindspannung erzeugt zu haben:

  • Adlige/r - Hausangestellte/r
  • Detektiv, wahlweise drogen, alkohol- und tablettenabhängig (nicht Zutreffendes bitte streichen) - Prostituierte
  • Kommissar, gewissenhafter Gutmensch, der moralisch einwandfrei für Recht und Ordnung eintritt - Vorbestrafter, wahlweise drogen, alkohol- und tablettenabhängig (nicht Zutreffendes bitte streichen)
  • Junge, hübsche, aber unschuldige Frau - schmieriger Geschäftsmann, Mitte 50, zwielichtiger Typ, Zigarrenraucher
  • Junger, unschuldiger Typ, leicht verstrahlt - Durchtriebener Vamp, Mitte 40, sexy

Zur Würze werden gern noch ein paar Kinder der Marke "verzogenes Heimkind", "Heulsuse", "Mondgesicht" und "Mauerblümchen" verwendet und der einen oder anderen Wirkkategorie zugeordnet. Erst zum Ende des kurzen Spasses wird man verblüfft feststellen, dass die einst schon zur Kindergartenzeit in einem selbst begründete Weltordnung, dass die Unschuld nichts mit der Schuld, später, dass eine Frau mit waffenscheinpflichtigen Aussehen nichts mit von Sehnenscheidenentzündungen Geschüttelten zu tun haben will, in den Grundfesten erschüttert. Das fein vorher immer von dem Stück Literatur geförderte Bild wird in den Abgrund gestoßen, sobald der Vorhang vor dem Bett mit Hure und Polizist aufgezogen wird. Letzter guter Glaube an die Prostitution des Detektivs, dass mit diesem Akt im Spezialwissen der Dirne recherchiert werden soll, wird in einem Nebensatz zerstört. Spaß habe es gemacht. "Warum nicht?", denkt der Daily Soaper, "Warum nur?", der Krimifreak.

Taten

Skurile Formen verbinden das Kreuzworträtsel mit dem Kurzkrimi. In Israel nutzt man die zusätzliche Platzersparnis durch die fehlenden Vokale der hebräischen Sprache: alle möglichen Täter stehen auf dem Kopf

Lösung = Höhepunkt

Erst zum Schluss wird gelacht: Lord Esterhazy machte zum Zeitpunkt des Todes eine Weltreise. Gärtner Ken kann lt. psychiatrischem Gutachten kein Blut sehen. Das sind die Facts, die einem in den vorletzten Sätzen um die Backen geschlagen werden. Angesichts der geringen Restmenge wird einem verzweifelt klar, dass man offensichtlich den Text nicht verstanden hat, doch das sollte man überhaupt nicht! Panisch nimmt man vor dem Aufruf in der Arztpraxis, im selbst auferlegten Zeitdruck, im dramatischen Sog der Ereignisse, die man plötzlich in sich zugespitzt findet, die wenigen vorherigen Zeilen noch einmal unter die Lupe. Passagen treten in Luftblasen leerer Gedanken zutage: "Leiche - Messer - Keller - Mieter - arbeitslos - von Frau verlassen - mit Vermieter durchgebrannt - Lebensversicherung".

Der Aufruf erfolgt, nie wird man es klären können. Es sei denn, man dreht den Spieß um und liest, dass es der Vermieter nicht sein konnte, weil der ja kein Linkshänder ist und nur Linkshänder das Messer so führen: VERLOREN!! Doch wo ist der Hinweis zum Linkshändertum? Wo ist das Gutachten und wo liegt das Ticket für die Weltreise herum? Man fischt im Trüben. Schade, die Zeit ist vorbei, aber es war doch spannend!


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